Leo Niedermeyer hat ein feines Gehör dafür, ob ein Steinway „gestreckt“ klingen muss und noch eine „eingebaute Reserve“ braucht.)
Ausgabe 32 vom 12. August 2011
Massige Akkorde, leidenschaftliche Oktavendeklamation, vibrierende Repetitionen, höchst virtuoses Prestissimo und höllischer Schrecken bis zum fünffachen Forte: es ist Liszt-Jahr. Und das bedeutet Schwerstarbeit für die Konzertflügel. Es ist aber auch Hochsaison für die Männer, die zur Pause herbeieilen, um den Zusammenbruch von Stimmung und Saiten zu verhindern. Leo Niedermeyer aus Bayreuth gehört zur kleinen Gruppe von Spitzenstimmern. Er hatte sich, heute ist er ein bisschen über 70 Jahre alt, schon mit acht Jahren entschlossen, „Klaviermacher“ zu werden. Das hat er dann auch gelernt, hat erst repariert, dann neu gebaut – besonders Cembali mit dem Spezialgebiet „Resonanzbodenbau“. Denn der sei schließlich „die Seele des Instruments. Der beste Konzertstimmer hat immer nur die Möglichkeit, über die Intonation und Stimmung das aus dem Instrument herauszuholen, was der Resonanzboden und der Hammerkopf vom Instrument freigeben“, sagt Leo Niedermeyer, und: „Man muss angefressen sein von der Begeisterung für diesen Beruf.“ Seine erste Konzertstimmung hat er in Nürnberg gemacht. Seit den 1980er Jahren ist er selbstständig und in Bayreuth, der Sohn hat inzwischen das Geschäft übernommen. Heute wartet Leo Niedermeyer, bis er „eingeladen“ wird: von CD-Produzenten, Pianisten, Konzertveranstaltern – dieses Jahr zu besonders viel Liszt. Lange muss er nicht warten, denn trotz aller „Klassikkrise“ werden laufend neue Aufnahmen produziert. Sich dafür aber zu bewerben habe wenig Zweck, hat Leo Niedermeyer in all den Jahren erfahren, denn besonders die Pianisten wüssten genau, wem sie vertrauen können bei dieser „Symbiose von Klaviermacher und Künstler“. Die stellt Niedermeyer in ganz Bayern, Italien oder der Schweiz her: ein Beruf, der ihn ganz fordert, auch weit jenseits der Pensionsgrenze. Er liebt „die Spannung, Extremes zu machen“. Hinsichtlich der extremen Anforderungen bei Liszt, aber auch in Bezug auf die Persönlichkeit des Partners: „Je extremer der Pianist, desto mehr spüre ich die Herausforderung.“